Ragnheiður Erla Björnsdóttir © Sigga Ella
Ragnheiður Erla Björnsdóttir © Sigga Ella

Freitag, 17.11. – Sonntag, 19.11.

jeweils 20 Minuten vor den Konzerten im Foyer des KKL Luzern und des Filmtheaters im Verkehrshaus der Schweiz

Eintritt frei

Ragnheiður Erla Björnsdóttir : Young Voices of Lucerne

Gemeinsam mit Luzerner Jugendlichen entwickelt die isländische Komponistin, Dichterin und Performerin Ragnheiður Erla Björnsdóttir in einem fünftägigen Workshop die Vocal Sculpture kyrr – zur Einstimmung auf die Konzerte.

Die Workshop-Teilnehmer*innen sind: Lena Baer, Olivia Brank, Leonie Bürgmann, Marilu Egli, Lena Sophia Finger, Kelvin Lee, Lena Alexandra Maissen und Elina Ockenfels.

  • Frau Björnsdóttir, Sie haben ein musikalisches Format erfunden, das Sie Vocal Sculpture nennen. Was können wir uns darunter vorstellen?

    In meiner Arbeit meint eine Vocal Sculpture eine performative, vokalbasierte Klangskulptur oder eine experimentelle Chorkomposition: ephemere Kunstwerke, die im Grenzbereich von Musik, Poesie und bildender Kunst existieren. Inspiriert wurde ich dazu von einem Ausspruch meines ehemaligen Lehrers Sigurður Pálsson: «Gedichte sind visuelle Kunst, die vorgibt, Musik zu sein.»

    Meine Vocal Sculptures komponiere ich aus Dichtung, die ich dekonstruiere. Dabei kombiniere ich phonetische Klangfragmente mit Spuren bereits existierender Wörter (mal offensichtlich, mal nicht), die sich auf das jeweilige Thema meiner Vocal Sculptures beziehen. Indem ich Vocal Sculptures erschaffe, möchte ich die menschliche Stimme als facettenreiches Instrument erforschen – mit der Methode der verkörperten Stimmarbeit. Wenn das Publikum den Raum betritt, wird es sofort mit der Anwesenheit einer Gruppe von Performer*innen konfrontiert. Sie sind frei im Raum verteilt und bilden lebende Skulpturen, die langsam von einer Form in eine andere übergehen. Während dieser Verwandlungen experimentieren die Performer*innen mit der dekonstruierten Poesie als klanglichem Gewebe.

    Ähnlich wie bei einer Surround-Klanginstallation, bei der der Klang zwischen mehreren Lautsprechern hin- und hergeschaltet wird, vermittelt hier jede Nuance des Vokalklangs, der aus der Vocal Sculpture dringt, einen anderen Aspekt des Stücks. Das Hauptthema wird nicht mehr von einem einzigen Interpreten, einer einzigen Interpretin vorgetragen, sondern von mehreren Fraktionen, die sich in der Vocal Sculpture zu einem Ganzen verbinden.

  • Mit Jugendlichen aus Luzern werden Sie eine neue Vocal Sculpture eigens für Lucerne Festival Forward entwickeln. Wie geht das vonstatten?

    Wir werden mit angehenden Sänger*innen im Alter von 16 bis 20 Jahren arbeiten, die mit den Luzerner Musikschulen und Chören verbunden sind. Ein wichtiger Aspekt bei der Entstehung einer Vocal Sculpture ist die Ko-Kreativität, und deshalb werden wir bereits virtuell mit der Zusammenarbeit beginnen, während ich das Stück noch komponiere. Ich lasse den Teilnehmer*innen in meiner Komposition bewusst Freiräume, damit sie sich auf verschiedene Weise mit dem Material auseinandersetzen können – etwa indem sie Sprachen ihrer Wahl verwenden und mit Vokaltexturen und erweiterten Gesangstechniken experimentieren können, die ihnen persönlich liegen.

    Im November führe ich dann einen fünftägigen Workshop mit den Teilnehmer*innen durch, in dem wir uns mit den musikalischen Elementen beschäftigen, die wir für diese Vocal Sculpture benötigen: verkörperte Stimmarbeit (was erweiterte Vokaltechniken und Bewegung einschliesst) sowie dekonstruierte Poesie. Am Ende stehen vier Aufführungen der Vokalskulptur, jeweils vor den Abendkonzerten von Lucerne Festival Forward. Ich freue mich sehr darauf, eine Vocal Sculpture in kreativer Zusammenarbeit mit jungen Stimmen aus Luzern zu realisieren!

  • Was beabsichtigen Sie mit Ihren Vocal Sculptures?

    Das Hauptziel der gemeinschaftlichen Entwicklung einer Vocal Sculpture ist es, Verbundenheit herzustellen. Denn gemeinsam singen heisst gemeinsam denken. Ein weiteres Anliegen besteht darin, das Feld der Chormusik zu erweitern, indem ich die Stimme als Material für performative Skulpturen in den Mittelpunkt stelle. Vergleichbar mit Bill Fontanas Überlegungen zum Raumklang frage ich: Wie kann ich aus vokalen Klängen Kunst machen? Auf diese Weise möchte ich ko-kreative, performative Methoden der Vokalkomposition etablieren, bei denen wir gemeinsam singen, imaginieren, denken und zuhören.

Die Fragen stellte Mark Sattler.