Erster Auftritt in Luzern: Daniel Barenboim dirigiert das English Chamber Orchestra, 1966 © Paul Weber / Lucerne Festival
Erster Auftritt in Luzern: Daniel Barenboim dirigiert das English Chamber Orchestra, 1966 © Paul Weber / Lucerne Festival

Wir gratulieren Daniel Barenboim herzlich zu seinem 80. Geburtstag!

Seit unglaublichen 56 Jahren ist er Lucerne Festival eng verbunden. Wir zeigen Fotos seiner vielen Auftritte als Pianist und Dirigent (oft in Personalunion) aus dem Festival-Archiv und erinnern mit einem Text, der 2016 zu seinem 50. Luzerner Bühnenjubiläum erschien, an Daniel Barenboims Debutkonzert im Sommer 1966.

Am 25. August 1966 – und damit im selben Jahr wie zwei weitere prägende Künstler der vergangenen Jahrzehnte, Bernard Haitink und Claudio Abbado – stellte sich Daniel Barenboim erstmals dem Luzerner Festspielpublikum vor. Gerade einmal 23 Jahre war er damals alt, und doch übernahm er selbstbewusst gleich eine Doppelrolle: Bei Mozarts Jenamy- und Beethovens Zweitem Klavierkonzert gestaltete er nicht nur den Solopart, sondern leitete vom Flügel aus auch das English Chamber Orchestra, und bei Bartóks Divertimento für Streichorchester agierte er sogar ausschliesslich als Dirigent.

Dass es zu diesem denkwürdigen Einstand kam, ist nicht zuletzt einer Luzernerin zu verdanken, die bereits 1954 nach England ausgewandert war: Ursula Jones-Strebi, Tochter von Walter Strebi, dem langjährigen Präsidenten der Internationalen Musikfestwochen Luzern (wie Lucerne Festival bis 2001 hiess), und heute selbst Mitglied im Stiftungsrat des Festivals. In London hatte sie Erfahrungen beim legendären Musikproduzenten Walter Legge und seinem Philharmonia Orchestra gesammelt und anschliessend das Management des Goldsborough Orchestra übernommen, eines jungen Kammerorchesters, dem sie rasch den international eingängigeren Namen English Chamber Orchestra verpasste. Daniel Barenboim hatte sie bereits früher über den Pianisten Edwin Fischer, «einen häufigen Gast im Hause meiner Eltern», flüchtig kennengelernt. «Nun rief er mich immer wieder an und bat darum, mit meinem Orchester auftreten und meine ‹abgebrühten› Musiker auch dirigieren zu dürfen. Zunächst zögerte ich, denn er war jung und als Dirigent noch unerfahren.» Doch dann benötigte Ursula Jones-Strebi für zwei Konzerte in Cambridge und Reading kurzfristig einen Leiter, gab Barenboim eine Chance … und der überzeugte auch als Dirigent auf Anhieb: «Es war eine ungemein erfrischende Art des Musizierens, ein Musikmachen im kammermusikalischen Geist – so wie wahrscheinlich beim jungen Mozart selbst», erinnert sie sich an den Auftakt von Barenboims langjähriger Partnerschaft mit dem English Chamber Orchestra, die der Musikwelt unter anderem eine Gesamteinspielung der Klavierkonzerte Mozarts beschert hat. «Barenboim konnte es einfach.»

Schon im Folgejahr brachte Ursula Jones-Strebi ihren Vater dazu, Daniel Barenboim mit dem English Chamber Orchestra nach Luzern einzuladen. Auch hier galt es zunächst Überzeugungsarbeit zu leisten, aber erneut widerlegte der Auftritt alle Skeptiker. «Überschwang und jugendliches Feuer» attestierte ihm die Kritikerin des Luzerner Tagblatts: «Das Publikum liess sich mitreissen und begeistern.» Mit dem Schlussakkord war Barenboims Luzerner Einstand indes noch nicht vorbei. Es folgte der obligatorische Empfang im Hause Strebi in Kastanienbaum, wo er sich neuerlich ans Klavier setzte, um gemeinsam mit Musikern aus den Reihen des Kammerorchesters Schuberts Forellenquintett zu interpretieren – ein privates Late-Night-Konzert, das bildlich dokumentiert ist: «Ein Gästebuch bloss mit Widmungen und Unterschriften, das genügte meiner Mutter nicht», erzählt Ursula Jones-Strebi. «Also hatte sich mein Onkel Hans Erni sozusagen als ‹Hofmaler› einzufinden und die Empfänge zeichnerisch festzuhalten.»

«Das Forellenquintett» im Hause Strebi 1966 (zweiter von rechts: Daniel Barenboim), Zeichnung © Hans Erni
«Das Forellenquintett» im Hause Strebi 1966 (zweiter von rechts: Daniel Barenboim), Zeichnung © Hans Erni

Über 70 Konzerte hat Daniel Barenboim seit seinem ersten Auftritt in Luzern gestaltet, als Pianist, als Dirigent und mit einem Programmspektrum, das von Bach bis Boulez und zu Uraufführungen etwa von Chaya Czernowin und Saed Haddad reicht, vom Solo-Rezital bis zu konzertanten Aufführungen von Wagners Meistersingern und der Walküre, von Tristan und Isolde und Beethovens Fidelio. Mit gleich acht verschiedenen Orchestern war er hier zu Gast, darunter die Berliner und die Wiener Philharmoniker sowie natürlich «seine» Ensembles: das Orchestre de Paris, das Chicago Symphony Orchestra, die Klangkörper der Mailänder Scala, die Staatskapelle Berlin und das West-Eastern Divan Orchestra. Lucerne Festival dankt Daniel Barenboim für zahllose musikalische Sternstunden.

Malte Lohmann | Redaktion Lucerne Festival