Das Sommer-Thema 2023

  • Paradies | 8. August – 10. September 2023

    Jenseits von Eden. Seitdem Gott unsere ältesten Urahnen Adam und Eva aus dem Paradies beförderte, weil sie einen Apfel vom verbotenen Baum der Erkenntnis gegessen hatten, ist der Mensch auf sich selbst zurückgeworfen. Gewiss, wir dürfen die wunderschöne Erde bewohnen und bevölkern, aber wir sind selbst dafür verantwortlich, die Schöpfung zu bewahren, den Frieden zu sichern oder das Zusammenleben harmonisch zu gestalten. Und all das scheint gar nicht so einfach zu sein.

    Die Sehnsucht nach einer Rückkehr ins Paradies treibt die Menschheit um — erst recht in Zeiten des Krieges und des Klimawandels, des Hungers und der Seuchen. Aber was ist das eigentlich, das Paradies? Wo finden wir es? Das Wort ist uralt, es existierte schon im Altpersischen und im Hebräischen, fand als Elysium Eingang in die griechische Mythologie und wurde im Christentum wie auch im Islam mit dem Reich Gottes, dem Himmelreich, gleichgesetzt. Allen Überlieferungen ist gemeinsam, dass es sich um einen geschützten, befriedeten Raum handelt, wo niemand sich sorgen muss und Glückseligkeit herrscht.

    Gustav Mahler und das Leben nach dem Tod
    Wenn Lucerne Festival im Sommer 2023 nach dem Paradies fragt, dann gibt es ganz verschiedene Antworten. Gustav Mahler, der mit gleich vier Sinfonien vertreten ist, wollte stets wissen, was nach dem Tod geschieht. In seiner Dritten, die zur Eröffnung erklingt, entwarf er einen Weltenbau mit der Liebe als der höchsten, der paradiesischen Daseinsform. Die Zweite dagegen, die den Festivalabschluss markiert, verheisst die Auferstehung und damit ein Fortleben über unsere irdische Existenz hinaus. In der Vierten lässt Mahler uns sogar das Paradies selbst besichtigen. Und in der Siebten präsentiert er ein so ostentativ jubilierendes Finale, dass man fast schon wieder ins Zweifeln geraten kann …

    Anton Bruckner, der gottesfürchtige Mystiker
    Zweifel an der Allmacht Gottes und der Einkehr ins Himmelreich waren Anton Bruckner dagegen fremd: Der Glaube beherrschte und ordnete den Alltag dieses tiefreligiösen Katholiken. Auch seine Sinfonik birgt ein religiöses Moment, und das nicht nur, weil Bruckner das Orchester oft wie eine Orgel registriert oder gerne choralhafte Weisen verwendet. In seiner Siebten Sinfonie zitiert er auf dem Höhepunkt des zweiten Satzes sein Te Deum mit dem «Non confundar»: «In Ewigkeit werde ich nicht zuschanden.» In der Vierten vergegenwärtigt er die göttliche Schöpfung. Und in der Achten baut er veritable Himmelsleitern, die uns mit Arpeggien der Harfen, dem Instrument der Engel, mitten ins Paradies zu führen scheinen.

    Das Paradies der Natur …
    Dass Musik die Natur berührend abbilden und das Glück der Naturempfindung spiegeln kann, haben Komponist*innen aller Jahrhunderte bewiesen. Da wäre etwa Joseph Haydn, der in seinem Oratorium Die Jahreszeiten ein idyllisches Panorama der heilen Welt entwirft. Eindrucksvoll setzte Richard Strauss mit seiner Alpensinfonie das Hochgebirge in Klänge. Aber auch Johannes Brahms ersann mit der imaginären Alphornweise im Finale seiner Ersten Sinfonie eine klingende Chiffre für die Paradieswelt des Hochgebirges. Antonín Dvořák integrierte in seine Achte Vogelstimmen, Leoš Janáček beschwor mit dem Schlauen Füchslein den Zauber des Waldes, und Bedřich Smetana huldigte mit dem Lauf der Moldau den Schönheiten Böhmens.

    … und der Sündenfall
    Was aber, wenn der Mensch sich vergeht an der göttlichen Schöpfung? Richard Wagner griff mit dem Rheingold seiner Zeit weit voraus und schilderte die Ausbeutung der Natur, der die Bodenschätze entrissen werden — was die bestehende Weltordnung schliesslich in den Untergang stürzt. Doch die Vertreibung aus dem Paradies bezieht sich nicht auf die Plünderung der Natur und den Klimawandel allein. Die Apokalypse des Ersten Weltkriegs inspirierte Maurice Ravel zu La Valse: Glanz und Gloria der alten europäischen Monarchien werden durch den Wiener Walzer symbolisiert, den Ravel auf einen Siedepunkt treibt und schliesslich implodieren lässt.

    Rausch und Ekstase als künstliche Paradiese
    Können wir uns nicht unser eigenes Paradies schaffen? Das fragten sich schon manche und suchten die Weltflucht: etwa Richard Strauss, der zu diesem Zweck am Ende seines Heldenlebens Reissaus nimmt. Der Rauschzustand scheint ein anderes probates Mittel zu sein: Aleksandr Skrjabin widmete ihm sein Poème de l’extase. Und Ludwig van Beethoven sorgte in seiner Siebten Sinfonie für derart ekstatische Steigerungen, dass einige schon glaubten, so etwas könne er nur im Zustand der Trunkenheit geschrieben haben.

    Das Paradies als gesellschaftliche Utopie
    Wie eine bessere Welt aussehen könnte, nimmt die Auswahl der Komponist*innen im Contemporary Programm in den Blick: Weiblich und männlich, Schwarz und Weiss halten sich die Waage, es geht also um Gleichberechtigung und Parität. Der junge Schweizer Komponist Jessie Cox schreibt für das Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO) ein neues Werk zum Thema «Paradies ». Ausserdem stellen Ensembles des LFCO Arbeiten von Clara Iannotta, Tania León, Lei Liang und Jalalu-Kalavert Nelson vor, die in ihrer Musik Rassismus und Diskriminierung thematisieren und uns vor Ohren führen, wie weit wir in unserem Alltag vom gesellschaftlichen Paradies auf Erden entfernt sind.

    Ein Rendez-vous mit Adam und Eva
    Schliesslich kreuzen sogar Adam und Eva, denen wir das Trauma des verlorenen Paradieses zu verdanken haben, beim Sommer- Festival höchstpersönlich auf. Henry Purcell hat ihnen den fünften Akt seines Musiktheaters The Fairy Queen gewidmet und lässt uns doch noch einkehren in den Garten Eden, diesen Hort der Freuden und der Schönheit, wo die Liebe blüht. Und alles wird wieder gut.

composer-in-residence & «artistes étoiles»

Enno Poppe © Ricordi/Harald Hoffmann

Enno Poppe

composer-in-residence

Daniil Trifonov © Dario Acosta/DG

Daniil Trifonov

«artiste étoile»

Specials

Lucerne Festival

Lucerne Festival ist mehr als nur das abendliche Sinfoniekonzert: Das beliebte Public Viewing auf dem Inseli, die mitreissenden Open-Air-Auftritte von «In den Strassen», Meisterkurse, Vorträge und Podiumsdiskussionen sowie natürlich die Kurzkonzerte der Reihe 40min sorgen für Festivalstimmung in der ganzen Stadt.

40min

Mehr als ein musikalischer Appetizer und doch nicht so lang wie ein komplettes Konzert: Nehmen Sie sich 40 Minuten Zeit für Musik.

Lakeside Symphony

Geniessen Sie das Eröffnungskonzert live auf der Grossleinwand auf dem Luzerner Inseli.

In den Strassen

Das kleine, aber feine Weltmusik-Festival im Festival bringt die Luzerner Altstadt zum Klingen.

Sprechen wir über Musik!

Wer mehr weiss, hört mehr: Vorträge, Podiumsdiskussionen und Konzerteinführungen vertiefen Ihr Musikerlebnis.

Mit der Konzertkarte ins Museum

Mit Ihrer Konzertkarte profitieren Sie von einem Rabatt von 50% in der Sammlung Rosengart, können im Hans Erni Museum kostenlos an Führungen teilnehmen oder im Richard Wagner Museum das Spezialprogramm besuchen.

Das Publikum gibt Standing Ovations © Peter Fischli/Lucerne Festival

Pausenloser Musikgenuss

Wir bieten in diesem Sommer zahlreiche Konzerte ohne Pause an.

Vom Rezital bis zum Sinfoniekonzert

Die Weltstars der Klassik im Herzen der Schweiz

Weltklasse, Tag für Tag: Erleben Sie die gefeierten Klassikstars, die verheissungsvollen Newcomer und natürlich die unvergleichliche «Parade» der internationalen Spitzenorchester.

Composer Seminar

Wolfgang Rihm
Wolfgang Rihm

Allsommerlich führt Academy-Leiter Wolfgang Rihm zusammen mit Dieter Ammann ein zweiwöchiges Composer Seminar durch: In der ersten Woche diskutieren die Teilnehmenden ihre Werke mit Rihm, Ammann und weiteren Gästen – im Plenum und in Einzelgesprächen. Anschliessend studieren sie die Partituren mit versierten Musiker*innen der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA) ein und stellen sie in moderierten Abschlusskonzerten vor.

Junges Publikum

Kinder im Konzert © Patrick Hürlimann/Lucerne Festival
Kinder im Konzert © Patrick Hürlimann/Lucerne Festival

Mit speziellen Konzertangeboten für Kinder und Jugendliche, für Familien und Schulen zeigen wir, dass Klassik nicht nur etwas für die Grossen ist.